«Vorkämpfer für Demokratie»: Gerd Poppe ist tot
Er war früh in der Opposition der DDR engagiert und prägte später den außenpolitischen Kurs der Grünen. Der Tod von Gerd Poppe löst bis in die Staatsspitze Bestürzung aus.
Er war früh in der Opposition der DDR engagiert und prägte später den außenpolitischen Kurs der Grünen. Der Tod von Gerd Poppe löst bis in die Staatsspitze Bestürzung aus.
Er begehrte gegen die DDR auf und ermahnte nach der Wiedervereinigung die Grünen zu einer realistischeren Sicht auf die Außenpolitik – nun ist Gerd Poppe tot. Der frühere DDR-Bürgerrechtler starb am Samstag im Alter von 84 Jahren in einem Berliner Krankenhaus, wie der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Kowalczuk war nach eigenen Angaben zusammen mit Poppes Familie bis zuletzt an dessen Seite.
«Das freiheitlichste Kämpferherz, das ich kenne, hat gerade für immer aufgehört zu schlagen. Vier Wochen hat mein Freund, mein großes Vorbild Gerd "Poppoff" Poppe gekämpft – diesen letzten Kampf hat er nun verloren», schrieb Kowalczuk auf der Plattform X. Der Historiker nannte Poppe einen «Vordenker der Freiheitsrevolution von 1989». Der gebürtige Rostocker Poppe starb nur vier Tage nach seinem 84. Geburtstag.
Außenpolitischer Sprecher der Grünen
Poppe engagierte sich seit den 1960er Jahren in oppositionellen Kreisen. 1985 gründete er zusammen mit Bärbel Bohley und Wolfgang Templin die Oppositionsgruppe Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM). Nach dem Mauerfall gehörte er als Abgeordneter für Bündnis 90 zunächst der frei gewählten Volkskammer an, nach der Wiedervereinigung dem Bundestag.
Ab 1994 war er außenpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Vier Jahre später kandidierte er nicht erneut für den Bundestag, wurde aber erster Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe. Das Amt hatte er bis 2003 inne.
Respekt über Parteigrenzen hinweg
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte Poppe in einem Kondolenzschreiben an die Angehörigen «eine wirkmächtige, mutige und beeindruckende politische Persönlichkeit und einen Vorkämpfer für Demokratie und Menschenrechte». Poppe habe sich trotz massiver Repressalien seitens des SED-Regimes nie einschüchtern lassen und sei ein Wegbereiter der Friedlichen Revolution gewesen.
Als erster Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung habe er sich hohen Respekt über Parteigrenzen hinweg erworben. «Dabei nahm er autoritäre Staaten weltweit in den Blick. Sein Horizont endete nicht an den deutschen Landesgrenzen», hob Steinmeier hervor.
Der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf X, mit Poppe verliere das Land einen klugen Streiter für Demokratie. «In der DDR hat er sich beharrlich gegen die Diktatur gestellt – mit hohem persönlichen Einsatz und aus Überzeugung. Im vereinten Deutschland war er erster Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung.»
Engagement vor und nach der politischen Wende
Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur schrieb in einem Nachruf, Poppe habe zu jener kleinen Gruppe von Männern und Frauen gehört, die seit den 1970er Jahren in der DDR beharrlich gegen die kommunistische Diktatur aufbegehrt hätten – «mit Worten, mit Haltung, mit persönlichem Risiko». «Er war Mitgründer oppositioneller Gruppen, wurde verhaftet, ließ sich nicht einschüchtern. Poppe stand für eine Opposition, die gewaltfrei, prinzipientreu und zukunftsgewandt war.» Nach 1990 habe er sich nicht zurückgezogen, sondern Verantwortung übernommen.
«Die Bundesstiftung Aufarbeitung verliert mit ihm nicht nur einen Mitgründer, sondern einen klugen, diskreten und beharrlichen Mitgestalter. Und wir alle verlieren einen Menschen, der gezeigt hat, wie lang der Weg der Aufklärung sein muss – und wie lohnend er ist», teilte die Stiftung mit.
Bundestagsfraktion: Poppe legte Grundstein für grüne Außenpolitik
Die Grünen-Bundestagsfraktion nannte Poppe einen der Vordenker der friedlichen Revolution, der wesentlich zum Umsturz des SED-Regimes beigetragen habe: «Mit Gerd Poppe verlieren wir einen großen Bürgerrechtler und unbeirrbaren Kämpfer für Freiheit, Frieden und Menschenrechte in der DDR, in der Bundesrepublik Deutschland und weltweit.»
«Früh hat er mit seinem Wirken als außenpolitischer Sprecher und Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe den Grundstein für unsere realistische, humanitäre Außenpolitik gelegt und kämpfte Zeit seines Lebens gegen die Diktaturen dieser Welt», teilte die Fraktion mit. Poppes Leben und Wirken sei der Partei Vorbild und Vermächtnis.
Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt schrieb auf X, die Grünen hätten Poppe viel zu verdanken, vor allem einen realistischen Kurs in der Außenpolitik. «Er wird sehr fehlen und sein Rat in diesen fragilen Zeiten, in denen die Freiheit allüberall bedroht ist, besonders», unterstrich die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nannte die Nachricht vom Tod Poppes «sehr traurig». Sie hob auf X ihren «Respekt vor seinem unermüdlichen Engagement für Freiheit und Demokratie» hervor.
Auch der frühere Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow würdigte Poppe. «Möge Gerd Poppe die Erde leicht sein. Eine starke Persönlichkeit hat sich auf den letzten Weg gemacht», schrieb der Linken-Politiker auf X.
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