Ist digitale Demenz eine echte Gefahr für uns?
Digitale Demenz - macht uns die Nutzung von Smartphone und Tablet dumm? Wir gehen der Frage auf den Grund und checken, was ihr dagegen unternehmen könnt.
Digitale Demenz - macht uns die Nutzung von Smartphone und Tablet dumm? Wir gehen der Frage auf den Grund und checken, was ihr dagegen unternehmen könnt.
Computer, Tablet und Smartphone sind in der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Klar, hin und wieder gönnen wir uns ein paar Tage - aus denen dann meistens nur ein paar Stunden werden - etwas digital Detox, aber im Grunde halten wir es ohne Internet doch gar nicht mehr aus. In Zeiten von Corona läuft ohnehin vieles nur noch online ab. Wir lernen und arbeiten am Computer und für das Schwätzchen mit Oma oder den besten Freunden öffnen wir den Videochat auf dem Smartphone. Alles safe und statt echter Viren kann uns höchsten ein Computervirus gefährlich werden. Wenn man dem Psychiater und Neurowissenschaftler Manfred Spitzer glaubt, müssen wir im Gegenzug aber damit leben, dadurch etwas doofer zu werden. Statt des Virus könnte uns nämlich die digitale Demenz ereilen. Doch was hat es mit digitaler Demenz eigentlich auf sich und ist das wirklich so gefährlich?
Ständige Reizüberflutung tut dem Gehirn nicht gut. Wir sitzen am Computer, hören nebenher einen Podcast, checken E-Mails und Whatsapps auf dem Handy und mittels Live-Ticker überfliegen wir die neusten Nachrichten. Ganz nebenbei werfen wir ab und an einen Blick in Instagram, Facebook und Youtube, um zu schauen was sich auf den sozialen Netzwerken so tut. Wir konsumieren permanent Informationen und setzen unser Gehirn damit unter Stress. Durch die digitale Dauerbeschallung kommt es erst einmal zu einer verminderten Konzentrationsfähigkeit. Insbesondere wenn ihr im Büro tätig seid, besteht die Gefahr, dass ihr durch andere Mitarbeiter, das Telefon oder eingehende E-Mails ständig unterbrochen werdet. Vielleicht kennt ihr das aus eurem Arbeitsalltag auch: Es gibt kaum noch die Möglichkeit, für längere Zeit ungestört an einer Sache zu arbeiten. Die permanente Reizüberflutung kann negative Folgen für die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns haben. So soll sich dieser Dauerstress beispielsweise negativ auf die Kreativität und die Lernfähigkeit auswirken. Eine Studie des Londoner King's College kam zu dem Ergebnis, dass Menschen, die neben der Arbeit ständig auch ihre E-Mails checken und diese beantworten, so arbeiten, als hätten sie einen um bis zu zehn Punkte niedrigeren IQ. Digitale Demenz könnte also wirklich etwas sein, um das wir uns mehr Gedanken machen müssen.
Smartphone und Co. gehören fest zu unserem Alltag. Wie realistisch ist es, dass wir auf diese bequemen zuweilen höchstbefriedigenden Tools verzichten? Genau – ziemlich Unwahrscheinlich. Aber den richtigen Umgang damit können wir lernen. Der eben erwähnte Manfred Spitzer warnt mit seinem Buch "Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen" vor der Nutzung der digitalen Medien. Der Neurowissenschaftler warnt vor allem davor, dass die vermehrte Nutzung des Smartphones die Denkleistung und Konzentrationsfähigkeit negativ beeinflussen kann. Wir sind heute nur allzu gerne bereit, unser Gehirn auf Sparflamme zu setzen, während das Handy unsere Wissenslücken schließt. Zu verlockend ist der schnelle Griff zum Smartphone und der vermeintlich unendlichen Datenbank an Wissen. Wir müssen uns nicht anstrengen, das Handy löst das Problem.
Auch während der Arbeit liegt das Smartphone meist griffbereit. Konzentriertes Arbeiten fällt schwer, wenn man ständig durch das Smartphone abgelenkt wird. Diese ständige Ablenkung führt zu einer unproduktiven Arbeitsweise und man kann sich das nur sehr schwer wieder abgewöhnen. Den Zustand tiefster Konzentration erreichen wir aber nicht, wenn wir versuchen, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. In einen sogenannten Flow-Zustand kommen wir nur, wenn wir über einen längeren Zeitraum an nur einer einzigen Sache arbeiten. Wer durch sein Smartphone ständig abgelenkt wird, erreicht diesen Zustand nicht. Auch vielen Unternehmen ist dieses Problem bekannt, weshalb sie bewusst Rückzugsorte schaffen wollen. In manchen Unternehmen gibt es beispielsweise Ruheboxen, in die man sich zum ungestörten Arbeiten zurückziehen kann. Ganz ohne Störungen durch Kollegen oder das Smartphone kann man hier in eine Art Flow-Zustand kommen. Das Schöne daran: Ablenkungsfreies Arbeiten macht nicht nur produktiver, man ist auch zufriedener. Die digitale Demenz ist also kein unabwendbares Schicksal, wir können uns Zeiten schaffen, in denen wir uns ungestört durch Smartphone und Co. nur einer einzigen Tätigkeit widmen. Nicht jeder hat eine Ruhebox zu Hause, aber ihr könnt das Handy für einen gewissen Zeitraum weglegen. Räumt handyfreie Zeiten ein und nutzt beispielsweise die Pomodoro-Technik um für einige Minuten am Stück ungestört zu arbeiten.
Auch wenn Wissenschaftler wie Manfred Spitzer davor warnen, dass unsere Denkleistung durch die digitale Demenz bedroht wird, müssen wir Computer, Tablets und Co. nicht ganz aus unserem Alltag verbannen. Computer machen nicht von Haus aus dumm, genauso wenig wie Smartphones. Umgekehrt macht uns auch nicht alles, was wir lesen automatisch klug. Manche Zeitschriften und Bücher tragen ebenfalls nicht unbedingt zu einer besseren Denkleistung bei. Wichtig ist, dass wir digitale Medien geschickt nutzen und die Inhalte sorgfältig auswählen. Es schadet auch nicht, ab und an das Navi auszuschalten und zu Fuß die Stadt zu erkunden, um den eigenen Orientierungssinn zu schulen. Die digitale Demenz kann ein Problem sein, wenn die Medienkompetenz nicht geschult wird. So gilt es bereits in der Schule, Medienkompetenz zu vermitteln. Man kann weder Kinder und Jugendlich noch sich selbst komplett von Computern fernhalten. Technische Geräte gehören zu unserem Alltag. Insbesondere in Zeiten von Corona lernen und arbeiten wir mit Computern und Tablets. Auch der Kontakt zu Freunden und Familie findet vermehrt digital statt. Wir telefonieren per Videochat mit Oma und Opa, gratulieren der besten Freundin online und schicken Bilder aus unserem Alltag hin und her. Die Lösung kann daher nicht lauten: Verbannt alle technischen Geräte. Sie muss lauten: Lernt, wie man damit umgeht und sorgt mit entsprechendem Ausgleich gut für euer Denkorgan. Soll heißen, man muss nicht für jede Frage Google bemühen, man kann auch den eigenen Kopf anstrengen.
Ob die digitale Demenz, wie Manfred Spitzer sie beschreibt, uns ereilt oder nicht, es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir auf das Smartphone verzichten. Computer werden aus unserem Alltag nicht verschwinden, Smartphones ebenso wenig. In unserer immer komplexeren Welt eröffnen uns die digitalen Geräte eine Menge Möglichkeiten. Sie sind Mittel der Kommunikation, helfen uns auch in Corona-Zeit nah beieinander zu sein und unseren immer komplexer werdenden Alltag besser zu organisieren. Das Smartphone wird Teil unseres Alltags bleiben und wir müssen Strategien entwickeln, um besser mit der ständigen Ablenkung umzugehen. Das heißt, das Smartphone wird nicht komplett verbannt, darf aber ab und an in der Schublade verschwinden und vergessen werden.