Eine rothaarige Frau mit Brille trägt einen giftgrünen Zopfmuster-Pullover, verzieht dabei die Mundwinkel nach unten und hält beide Hände unwissend in die Höhe, während sie mit den Schultern zuckt
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Eine rothaarige Frau mit Brille trägt einen giftgrünen Zopfmuster-Pullover, verzieht dabei die Mundwinkel nach unten und hält beide Hände unwissend in die Höhe, während sie mit den Schultern zuckt
Der Akrasia-Effekt

Wenn Willensschwäche zum Problem wird

Willensschwäche kann uns davon abhalten, dass wir unsere Ziele erreichen. Wie du den Akrasia-Effekt überwindest, verraten wir dir hier.

Schon wieder hast du die Sahnetorte gegessen, obwohl du abnehmen möchtest? Du hast morgen eine wichtige Klausur und wolltest vor Wochen mit dem Lernen beginnen, hast es aber nicht gemacht? Du scheinst den Akrasia-Effekt bereits zu kennen. Wir erklären, was sich dahinter verbirgt.

Wie kommt es zu dem Akrasia-Effekt?

Dass jeder diesen Effekt schon einmal an sich bemerkt hat, ist kein Zufall. Die einen haben weniger, die anderen mehr mit Willensschwäche zu kämpfen. Der Grund für den Akrasiaeffekt liegt in unserer Biologie. Unser Gehirn reagiert eher auf kurzfristige Belohnungen als auf langfristige. Du kennst vielleicht die Situation, dass du im Büro sitzt oder am Schreibtisch zu Hause und mit deiner Hausarbeit, dem Lernen oder deiner Arbeit einfach nicht anfangen kannst, sondern eher E-Mails checkst, WhatsApp-Nachrichten liest oder auf Instagram und Facebook unterwegs bist. Deinem Gehirn erscheinen diese Tätigkeiten in diesem Moment wichtiger als Ziele und Belohnungen, die sich möglicherweise erst in ferner Zukunft realisieren lassen. Das Gehirn von uns Menschen ist jedoch auf Belohnungen ausgerichtet, so hat es sich im Laufe der Evolution entwickelt. Checkst du also lieber deine Nachrichten am Handy, statt zu arbeiten, oder bleibst du einfach auf der Couch liegen, anstatt dich zum Joggen aufzuraffen, liegt das daran, dass dein Gehirn seine Belohnung sofort verlangt. Erfolge, die in weiter Ferne liegen und nur mit vielen kleinen Schritten zu erreichen sind, wie es beispielsweise bei sportlicher Betätigung der Fall ist, sind für das Gehirn wenig reizvoll. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Zeitinkonsistenz. Allerdings bist du deinem Gehirn und seiner Vorliebe für schnelle Belohnungen nicht völlig hilflos ausgeliefert. Man kann lernen, unmittelbare Belohnungen aufzuschieben und seine Ziele zu erreichen.

Eine rothaarige Frau hält in einer Hand einen Apfel und in der anderen einen Burger - sie kann sich nicht entscheiden, ob sie gesund essen soll oder lieber Fastfood
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Eine rothaarige Frau hält in einer Hand einen Apfel und in der anderen einen Burger - sie kann sich nicht entscheiden, ob sie gesund essen soll oder lieber Fastfood

Warum sollte ich den Belohnungsaufschub erlernen?

Du fragst dich, warum du den Belohnungsaufschub (auch Gratifikationsaufschub) überhaupt erlernen solltest? Menschen, die eine Belohnung nicht auf später verschieben können, sind häufig weniger zuverlässig und verfügen über weniger Durchhaltevermögen. Wer dagegen mehr Selbstkontrolle hat, kann seine Ziele eher erreichen und ist in der Lage, seine Gefühle, Gedanken und Handlungen entsprechend auszurichten. Die alten Griechen hatten wie für die Willensschwäche auch für die Selbstkontrolle ein Wort. Sie sprachen von Enkrateia.

Die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub war auch Thema einiger wissenschaftlicher Studien. Du hast möglicherweise schon einmal von einem Experiment gehört, das als Marshmallow-Test bekannt ist. Der US-amerikanische Psychologe Walter Mischel führte von 1968 bis 1974 Experimente mit Kindern durch, die zu diesem Zeitpunkt etwa vier Jahre alt waren. Das Experiment sah vor, dass die Kinder wählen durften. Sie konnten sich sofort für einen Marshmallow entscheiden oder warten und dann würden sie zwei Marshmallows bekommen. Einige Kinder konnten warten, andere wollten den Marshmallow sofort essen. Später wurde dann untersucht, inwiefern sich die Fähigkeit zum Gratifikationsaufschub auf das spätere Leben auswirkte. Dabei stellte sich heraus, dass die Kinder, die zugunsten einer späteren Belohnung verzichten konnten, später im Leben erfolgreicher waren. Zielstrebigkeit, Geduld, Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, mit Rückschlägen umzugehen, waren bei diesen Kindern stärker vertreten.

Ein kleiner Junge mit grüner Mütze und Steppweste an steht inmitten von Dühnen und hält drei Marshmallow-Spieße vor sich. Er deutet an, in diese reinbeißen zu wollen
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Ein kleiner Junge mit grüner Mütze und Steppweste an steht inmitten von Dühnen und hält drei Marshmallow-Spieße vor sich. Er deutet an, in diese reinbeißen zu wollen

Akrasia-Effekt – was kann ich dagegen tun?

Es gibt eine Geschichte über den französischen Schriftsteller Victor Hugo. Sein berühmtes Werk "Der Glöckner von Notre Dame" sollte eigentlich im Sommer 1830 fertig sein. Allerdings konnte der Schriftsteller die Deadline nicht einhalten. Er hatte sich ganz und gar der Prokrastination hingegeben und war mit allen möglichen Dingen beschäftigt, aber nicht mit der Fertigstellung seines Romans. Sein Verleger gab ihm eine sehr knappe Deadline vor, um den Roman doch noch abzugeben. Victor Hugo musste sich selbst austricksen, um diese knappe Deadline einhalten zu können. Sein Plan war, alle Kleidungsstücke bis auf einen Umhang aus seinen Räumlichkeiten zu entfernen. So hatte er nicht mehr die Möglichkeit, sich außerhalb seines Hauses blicken und sich ablenken zu lassen. Der Plan ging auf und sein Werk wurde noch vor der zuletzt gesetzten Deadline veröffentlicht.

Möchtest du den Akrasiaeffekt besiegen und zum Beispiel endlich deine Bachelorarbeit fertigstellen, dann musst du nicht so weit gehen und deine komplette Kleidung wegschließen. Du kannst den Akrasiaeffekt überwinden. Im ersten Schritt nimmst du dir etwas Zeit und überlegst dir, was du wirklich erreichen möchtest. Manchmal haben wir Ziele im Kopf, die eigentlich gar nicht mehr aktuell sind oder die andere uns in den Kopf gepflanzt haben. Für dich ist es wichtig, deine eigenen Ziele zu kennen und Verantwortung dafür zu übernehmen. Der Akrasiaeffekt treibt dich in die Opferrolle? Du holst dir die Macht über dein Leben zurück und gestaltest es aktiv. Folgende Tipps können dabei helfen:

  • Planen und Vorausdenken: Du möchtest dich gesünder ernähren, aber dein Kühlschrank ist voll mit Softdrinks, Pudding und Schokolade? Dann wird es Zeit, zu überlegen, wie eine gesündere Ernährung aussehen könnte und was du dafür zu Hause haben musst. Oder ist dein Arbeitsumfeld voller Ablenkungen? Dann gilt es, hier erst einmal für Ruhe zu sorgen.
  • Anfangen und Loslegen: Deine Planungen und Vorbereitungen stehen? Dann musst du jetzt einfach anfangen. Dabei kommt es nicht auf Perfektion an. Lass deine hohen Ansprüche ruhig einmal beiseite. Später ist für das Feintuning immer noch Zeit. Wichtig ist, dass du ins Handeln kommst. Die Pomodoro-Technik kann hierbei hilfreich sein.
  • Routinen sind wichtig: Routinen können dich beim Erreichen deiner Ziele unterstützen. Du möchtest regelmäßig Sport treiben? Dann ist es sinnvoll, hier eine Routine zu entwickeln. Hier kann es auch sinnvoll sein, sich mit anderen zu verabreden.

Sei kreativ, wenn du den Akrasia-Effekt überwinden möchtest. Was könnte dir helfen, deine Ziele zu erreichen? Was stellt sich im Alltag als Hürde heraus? Welche kleinen Veränderungen könnten dir Erleichterung bringen? Entwickle eine Strategie, die dir hilft.

Fazit

Der Akrasia-Effekt kann ganz schön nerven, wenn wir unsere Ziele wieder einmal aufgrund unserer Willensschwäche nicht erreichen. Du bist diesem Effekt aber nicht hilflos ausgeliefert. Entwickle Strategien, um deinen Zielen näherzukommen und tappe nicht in jede Falle, die dein belohnungshungriges Gehirn aufstellt.